Was ist das epische Theater ?
Ein auf Bertolt Brecht zurückgehendes Inszenierungskonzept im Gegensatz zum dramatischen Theater, bei dem nicht die Gefühle der Zuschauer angesprochen werden, sondern ihr Verstand. Theater wird als ein Ort der Einsicht und des Wissens verstanden, das Publikum soll als Zuschauer angesprochen werden, nicht als emotional involviert. In diesem Sinne werden Verfremdungseffekte genutzt, um eine Identifikation des Publikums zu verhindern: Kommentarsprecher auf der Bühne, in das Geschehen eingefügte Lieder, Transparente, projizierte Texte. Eine geschlossene Illusion der Handlung sollte damit durchbrochen werden. Das epische Theater steht ganz klar am Horizont aufklärerischer Interessen – es will die gesellschaftlichen Verhältnisse transparent machen und durch die Aktivierung des Publikums Veränderungen herbeiführen. Brechts Überlegungen spielen für den Film nach wie vor eine wichtige Rolle und sind von verschiedenen Filmemachern in die Produktion eingeflossen.
Was ist der Verfremdungseffekt ?
Der von Bertolt Brecht verwendete Begriff des Verfremdungseffekts bezieht sich auf das wichtigste Modell des von ihm propagierten epischen Theaters. Er meint einen Darstellungsstil der kritischen Distanzierung, bei dem es nicht darum geht, eine möglichst dichte Illusion des Zuschauers zu erzeugen, sondern die Aufmerksamkeit des Zuschauers vom Ablauf des Geschehens auf den Sinn des Geschehens, die Konventionen der Darstellung und die oft nur implizit ideologischen Determinanten der Spielführung zu lenken. Der Zuschauer sollte das Verhalten der einzelnen Figuren aus einer gewissen Distanz kritisch beobachten und bewerten. Die Verfremdung der dramatischen Handlung wird durch eine ganze Reihe von Inszenierungsmitteln erzeugt – durch das Kommentieren der Szenen (durch einen Erzähler, Figuren aus der Handlung oder andere), durch das Heraustreten aus der Rolle des Schauspielers, durch das Einfügen von Liedern und Gesängen, durch Transparente, durch Besetzungsänderungen ( Männerrollen werden von Frauen gespielt usw.), durch die Abstraktheit der Umgebung, durch die Historisierung des Spiels durch authentisches Material usw.
Brechts Ideen eines aufklärerischen und reflektierenden Theaters wurden vor allem in den 1960er und 1970er Jahren auch im Film massiv rezipiert. Filmemacher wie Godard oder Straub / Huillet führten in ihren Filmen immer wieder ästhetische Diskurse über die ideologischen, ästhetischen und ökonomischen Bedingungen des Filmemachens. Strategien der Entfremdung finden sich aber auch in Filmen wie dem von Ken Loach, in dessen Land und Freiheit (1995) die Diskussionen um die Landreform oder die Konfrontationen zwischen stalinistischen und anarchistischen Brigaden wie in Theaterstücken im Brecht’schen Stil in den ansonsten illusionären Darstellungsstil eingebettet sind – und damit vor allem Aufmerksamkeit und Distanz organisieren.